Neuer Fanraum für Anhänger des Fußballvereins RSV Göttingen 05
Die Göttingen 05-Fans haben einen Fanraum am Platz der Synagoge bezogen. Das ist für eine Oberliga-Mannschaft einzigartig in Niedersachsen. Am 15.06 ist die offizielle Eröffnungsparty, allerdings gab es bereits im Mai mehrere Veranstaltungen. Auf der inoffiziellen Einweihungsparty des besagten Fanraums nutzte Leben 37 die Gelegenheit, um sich mit dem Vorstand der Supporters Crew 05 e.V. zu unterhalten.
Interview Pfeil Wie kam es dazu einen Fanraum anzumieten?
Philipp: Ein Fanraum hat in Göttingen durchaus Geschichte. Es gab schon mal einen, so um 2001/2002 in der Eisenbahnstraße. Zwar haben wir keine riesige Fanszene, dafür eine sehr aktive. Wir hatten keinen richtigen Ort zum Treffen, aus diesem Grund suchten wir nach einer geeigneten Räumlichkeit. Es gab ein paar Kriterien: Der Raum sollte in der Innenstadt und bezahlbar sein.
Daniel: Auf der Fanversammlung im Februar letzten Jahres haben wir beschlossen, dass wird das verfolgen und dann waren wir intensiv auf der Suche.
Interview Pfeil Wie viele Leute kommen eigentlich ins Stadion? Wie groß ist ungefähr die Fanszene?
Daniel: Man muss unterscheiden zwischen der aktiven und passiven Fanszene. Zu dem aktiven Kern zählen etwa 50 – 70 Leute. Insgesamt kommen im Durchschnitt 600 Leute ins Stadion, womit wir Krösus in der Oberliga sind. Der Durchschnitt in der Oberliga liegt bei 250 Leuten, wir haben deutlich mehr.
Interview Pfeil Was passiert eigentlich konkret im Fanraum?
Philipp: Wir haben drei Ebenen die wir bedienen. Auf der ersten Ebene ist es ein klassischer Fanraum, um sich vor dem Spiel zu treffen und nach dem Spiel wieder herzukommen, Stammtische usw. – ein Raum von und für uns. Auf der zweiten Ebene soll der Fanraum ein Bildungsort sein. Wir werden Schulen anbieten, Veranstaltungen über Themen wie Gewalt, Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie im Fußball zu besuchen – da ich beim Jugendamt als Streetworker arbeite, kenne ich viele Schulen. Ebenso haben wir gute Kontakte zur Uni und werden Seminarteilnehmern anbieten her zu kommen, um über inhaltliche Themen zu quatschen. Die dritte Ebene ist eine kulturelle: es sollen Lesungen, Ausstellungen und Veranstaltungen stattfinden.
Interview Pfeil Gibt es Unterschiede zwischen den Fans von Göttingen 05 und Fans von anderen Fußballvereinen?
Philipp: Was uns gegenüber anderen Fanszenen auszeichnet ist, dass wir uns als explizit politisch begreifen. Viele Fanszenen begreifen sich als explizit unpolitisch – so sehen wir uns nicht, da wir uns in einem gesellschaftlichen Kontext bewegen. Es ist nicht so, dass wir unser Hirn an der Stadionkasse abgeben – auch im Stadion sind wir denkende Menschen, was sich darin äußert, dass wir uns auch im Stadion mit vielfältigen Aktionen gegen Rassismus wenden.
Olli: Etwa im Rahmen der FARE-Aktionswochen. FARE ist ein Dachverband und steht für „Football Against Racism in Europe”. Es ist letztendlich ein symbolischer Akt – wenn man das allerdings immer mal wieder macht, dann sensibilisiert man die Stadiongänger dafür, dass Rassismus in unserem Stadion keinen Platz hat.
Daniel: Unsere Fanszene unterscheidet noch von anderen, glaube ich, dass wir relativ heterogen sind. Bei uns gibt es viele Ältere, die Mitte vierzig sind, aber auch Ultras, die zwischen 15 bis 25 Jahren sind. Es ist schon so, dass wir uns alle untereinander gut verstehen, auch hinter dem was wir politisch verkörpern. Zusätzlich engagieren wir uns auch im RSV Göttingen 05, helfen z.B. beim Bandenaufbau, sind im „105er-Club“ maßgeblich an der Organisation beteiligt, sind im Gespräch mit der Vereinsführung etc..
Philipp: Unser Kernthema ist zwar Fußball, dennoch ist uns Politik wichtig.
Interview Pfeil Ihr seit die Erfinder der Kampagne „Glotze aus, Stadion an“. Was hat es damit auf sich?
Philipp: Wir wollen die Leute zurück ins Stadion holen. Der Amateurfußball leidet unter schwindenden Zuschauerzahlen, während die Bundesliga explodiert. Der DFB steuert das Ganze leider in die völlig falsche Richtung und lässt den Amateurfußball ausbluten. Es geht einfach darum die Leute dazu zu bewegen Sonntags in das Stadion zu gehen. Auch wenn es Studenten sind, die beispielsweise aus Bremen stammen und Werder im Herzen tragen – sie können ja weiterhin die Bundesliga im Fernsehen ansehen, dennoch den lokalen Fußballverein unterstützen und in das Stadion gehen. Diese Kampagne wollen wir relativ groß aufziehen mit diversen Maßnahmen, damit 05 endlich mal wieder präsenter wird.
Interview Pfeil Wer genau sind eigentlich die Supporters?
Olli: Die Supporters Crew ist ein eingetragener Verein, der den Zweck hat, Träger für den Fanraum zu sein. Ebenso ist er ein Dachverband für alle Fans und die Fangruppen Rasensportguerilla, Ciderbois, La Familia und die Alten Herren Ultras.
Philipp: Bei vielen größeren Vereinen gibt es ebenfalls einen Dachverband der als Interessenvertretung mit dem Verein und der Presse spricht.
Interview Pfeil An der Veranstaltungsreihe „Zwischen Kick und Kultur“, die an der Uni stattfindet, ist auch die Rasensportguerilla beteiligt. Wie kam es dazu?
Olli: Als wir uns als Fangruppe Rasensportguerilla zusammengetan haben, dachten wir uns, dass es nicht nur bei den 90 Minuten im Stadion bleiben soll. Wir wollen auch inhaltliche Veranstaltungen machen. Durch Überschneidungen im Freundeskreis kam es dazu, dass wir zusammen mit der Basisgruppe Sozialwissenschaften eine Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt haben, die sich mit Fußball und den Missständen der Fanszenen auseinandersetzt. Wir haben uns nach Leuten umgeschaut, die spannende Vorträge halten können über Themen wie weibliche Fußballfans oder Homophobie im Stadion.
Interview Pfeil Das Thema Homosexualität ist ja immer noch ein heißes Eisen im Fußball!
Olli: Mittlerweile ist es in den Stadien relativ weit verbreitet, dass man gegen Rassismus ist. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde von vielen Seiten relativ gute Arbeit geleistet – dass es da immer noch Idioten gibt ist eine andere Sache. Homophobie ist aber immer noch ein Tabu – kein Profifußballer dürfte sich outen, sonst würde schlimmes passieren!
Interview Pfeil Ihr macht viel Programm und seit auf mehreren Ebenen aktiv. Wie kann man euch dabei unterstützen?
Daniel: Wir finanzieren uns über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Wenn uns jemand unterstützen will, kann man etwas Spenden oder eben Vereinsmitglied werden. Unterstützer sind herzlich willkommen. Unterstützung kann auch bedeuten, einfach auf einer Veranstaltung vorbeizukommen und sich zu interessieren. Der Fanraum ist für alle Interessierten offen.
Kontakt:
Mail: scg05@gmx.de / Hompage: supporterscrew05.blogsport.de
…oder eben im Stadion!
Text: Raphael Siegert / Fotos: Jan Rebuschat
http://www.leben37.de/neuer-fanraum-fur-anhager-des-fusballvereins-gottingen-05/