Eine Art Auftrag

„Eine Art Auftrag
Der 1. SC Göttingen 05 ehrt seine im Faschismus ausgeschlossenen jüdischen Mitglieder mit dem Ludolf-Katz-Gedächtnis-Cup

Am Sonntag veranstaltet der 1. SC Göttingen 05 ein Hallenfußballturnier, bei dem es um den Ludolf-Katz-Gedächtnis-Cup geht. Das Schicksal von Ludolf Katz steht exemplarisch für andere jüdische Sportler des Vereins in der Nazizeit, mit der sich der Fandachverein »05 Supporters Crew« beschäftigt.

Katz wurde 1903 als Sohn eines Tuchhändlers geboren. Um Fußball zu spielen, schloss er sich als 15jähriger dem SC Göttingen 05 an. 1934 wurde er als jüdischer Sportler aus dem Verein ausgeschlossen. Bereits Ende März 1933, 14 Tage nach dem Wahlsieg der Nazis bei der letzten freien Reichstagswahl, hatte Göttingen ein erstes antijüdisches Pogrom erlebt. Am Abend plünderten SA-Leute jüdische Geschäfte, auch Ludolf Katz wurde verprügelt.

1938, noch vor der Reichspogromnacht, gelang ihm die Flucht in die USA, seine Eltern blieben in Göttingen, 1942 wurden ins Warschauer Ghetto deportiert, wo sich jede Spur verliert. Ludolf Katz starb 1994 in der Küstenstadt Sarasota, Florida.

Die biographischen Unterlagen zu seinem Leben sind sehr spärlich. In seiner 1998 erschienenen Monographie über den Göttinger Fußball nennt Hardy Grüne neben Katz drei weitere jüdische 05-Vereinsmitglieder. Er bezieht sich dabei auf ein Mitgliederverzeichnis von 1923 und einen Brief von Ludolf Katz aus dem Jahr 1946.

In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit veranstaltete die Supporters Crew am 9. Novermber 2014 auf dem Platz der Synagoge ein Gedenken an die Novemberpogrome von 1938. Im Anschluss wurde in den 05-Fanräumen der Dokfilm »Und plötzlich waren wir Feinde« von Jürgen Hobrecht gezeigt, der die Vertreibung der Juden aus Göttingen zum Thema hat. Im Dezember luden die Supporters zu einer Lesung mit dem Fußballhistoriker Dietrich Schulze-Marmeling, der aus seinem 2003 erschienenen Buch »Davidstern und Lederball« über die Geschichte jüdischer Fußballer und ihrer Ausgrenzung und Verfolgung vortrug. Im Anschluss an die Lesung wurde eine Gedenktafel für Ludolf Katz der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie befindet sich an der Außenwand der 05-Fanräume, gegenüber dem Mahnmal, das an die Zerstörung der Göttinger Synagoge 1938 erinnert. Die Supporters begriffen diese Nachbarschaft als eine Art Auftrag, sich mit der Geschichte der früheren jüdischen Mitglieder ihres Vereins zu beschäftigen.

Auf ihre Anregung hin entschied sich der Verein für Ludolf Katz als Namensgeber des Pokalturniers am Wochenende. Der Veranstalter wird mit seiner Oberligamannschaft und einem U-23-Team antreten. Ferner haben sich das Oberligateam von Eintracht Northeim, die lokalen Konkurrenten SVG Göttingen und FC Grone und weitere regionale Vertreter angemeldet.“

Quelle: Junge Welt vom 21.01.2015